Läden werden zu Shops, Hubs, Ökosystemen
Unsere Designerinnen im Gespräch über einen neuen Trend.
Einzelhändler, Dienstleister und Handelsketten verlassen die Komfortzone ihrer stationären Points of Sale. Sie erweitern ihre Läden zu multifunktionalen, hybriden Shops, Hubs, Ökosystemen und erschaffen Zusatzmehrwerte in zunehmend schnelllebigen, wettbewerbsorientierten und weltoffenen Märkten.
Auf höchst kreative Weise erzeugen sie neue Kundenerlebnisse, Kundenbindung und Absatzchancen: Ergänzend zum Angebot ihrer regionalen Points of Sale bieten sie ihre Waren und/oder Services zum Beispiel immer häufiger auch online an. Oder Ladenflächen werden im Zweitzweck zu Showrooms und Schulungsorten. Mancher Bäcker verwandelt seinen Verkaufsraum nach Ladenschluss gar in eine Kulisse fürs Mikroinfluencertum: Flankiert von Fotografen und Kamerateams entstehen Bilder und Videos für seine Sauerteig-Community. Lokale Verkäufer werden zu inspirierenden Produkt-Storytellern, zu Multiplikatoren mit unfassbaren Reichweiten. Konditormeisterinnen werden zu Monothemen-Botschafterinnen und entwickeln plötzlich Alter Egos als Torten-Bloggerinnen oder Muffin-Vloggerinnen.


Einzelne, vorher schwer zu bindende Kunden, verdichten sich mit dem Trend zu gut erreichbaren Zielgruppen. Sie signalisieren Anbietern wertvolle Customer-Touchpoints – im echten Leben wie in den Social-Media-Kanälen.
Unsere Designerinnen Michela Avancini aus Italien, Han Yu aus China und Leslie Randolph aus den USA sprechen darüber, wie sich der Trend auf ihrem jeweiligen Kontinent bemerkbar macht. Und mit welchen Dekoren und Oberflächeneigenschaften Schattdecor diese Entwicklung unterstützen kann.

„Wie sieht dieser Trend denn bei euch vor der Haustür aus, Michela, Han und Leslie?“
Michela: „Also bei uns in Italien sahen sich in der Krise viele Menschen gezwungen, ihre Komfortzone, das Gewohnte, hinter sich zu lassen. Auf der Suche nach positiven Erfahrungen sind viele von uns neue Wege gegangen und haben Dinge gelernt, die sie sich vorher niemals zugetraut hätten. Ich beobachte hier zum Beispiel eine extrem starke Hinwendung zum Handwerk. Quasi aus der Not geboren und unterstützt von Do-it-yourself-Videos lernen wir Italiener grade wieder, wie man im eigenen Zuhause selbst Hand anlegt, sich gestalterisch oder zumindest handwerklich betätigt.
Gleichzeitig fällt mir auf, dass Läden und Geschäfte – wahrscheinlich aus diesem neuen Spirit heraus – immer stärker zu Ankerpunkten für Menschen werden: Neue Angebote wie Workshops oder Seminare erweitern das Konsumangebot, intensivieren das Kundenerlebnis und bringen die Leute zusammen. Ein Beispiel: Bei meinem Bäcker um die Ecke kann ich heute zwar immer noch Focaccia kaufen – aber gleichzeitig eben auch verweilen oder sogar einen Workshop (online oder in echt) buchen, um selber Focaccia backen zu lernen.
Oder Buchläden und Büchereien! Die verkaufen bzw. verleihen heute nicht mehr nur Medien, sondern werden zu Communitytreffpunkten und zu wichtigen sozialen, kulturellen und gesellschaftspolitischen Hubs.“
Leslie: „Wir sehen in Nordamerika eine ganz ähnliche Dynamik, Michela. Der Einzelhandel stützt sich auch bei uns ganz klar auf den E-Commerce. Viele stationäre Läden arbeiten neuerdings mit InfluencerInnen und teilen Live-Streams, Produktbilder, Storys oder Tutorials, um ihren Absatz anzukurbeln. Solche Influencer-Teams repräsentieren einfach ein realistischeres und umfassenderes Bild von modernen VerbraucherInnen.
Und natürlich sind auch die nordamerikanischen VerbraucherInnen begeistert vom Erlebnisshopping. Ladengeschäfte sind heute einfach erfolgreicher, wenn sie sich zusätzlich auf visuelles Marketing konzentrieren und in Social Media teilbare Contents generieren. Markenentwicklung kann dann sogar wichtiger sein als Produktentwicklung. Wir Menschen haben die Möglichkeit, uns in diesen neuen Räumen neu zu vernetzen, uns digital oder in echt zu treffen und auf Grundlage gemeinsamer Interessen neue Kontakte zu knüpfen.“
Han: „Auch bei uns in China nehmen Kundinnen und Kunden solche neuen Konsumwelten begeistert an und füllen sie mit Leben. Stationäre Geschäfte, Läden und Ketten blühen mit diesem ‚Multiplikationstrend‘ zu ganzen Ökosystemen für bestimmte Konsum-, aber auch Infothemen auf. Sie verwandeln sich in Erlebnishubs, an denen sich Menschen wegen dieser Themen treffen.
Parallel dazu verfestigt sich auch bei uns der schon länger anhaltende Trend, dass sich die Menschen zum Shoppen in großen Malls verabreden. Das hat hier inzwischen Eventcharakter. Neu ist, dass die Shoppingzentren das Wohlergehen ihrer Kunden während ihres Aufenthalts immer noch stärker in den Blick fassen. Es ist hier inzwischen normal, dass sich pädagogisch geschultes Personal um die Kinder kümmert, während die Eltern einkaufen.
Und deshalb teile ich eure Einschätzung zu 100 Prozent: Um wirtschaftlich zu überleben oder um sich vom Wettbewerb abzuheben, müssen Läden auch bei uns immer neue, immer noch bessere Mehrwerte finden. Shopping wird in Zukunft mehr und mehr zum Erlebnis werden: Events, begeisternde Kundenservices, Workshops, Seminare, flinke Lieferungen, Bestellungen hybrid am POS und online, maßgeschneiderte Katalogprodukte etc. Alles läuft auch in China darauf hinaus, Kundinnen und Kunden die Chance für neue Erfahrungen rund ums Produkt zu ermöglichen.“
„Wie würdet ihr den Trend beschreiben?“
Leslie: „Also ich nenne diese next Generation gern ‚Händler 4.0‘. Denn die Treiber des Trends stehen ja für einen revolutionär neuen Ansatz. Was sie verbindet und so erfolgreich macht, das sind in meinen Augen Mut, Kreativität und die Leidenschaft fürs eigene Tun. Regionale Nischenexpertise limitiert solche Businesses plötzlich überhaupt nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Heutzutage kann Spezialisierung statt Generalisierung in Kombination mit kreativem Marketing für manche Branchen enorme Marketingvorteile bedeuten.
Der Influencer-Trend bindet die Kundschaft aufgrund von Transparenz und Verlässlichkeit. Sozialisierte Fans finden sich auf virtuellen Marktplätzen ein, auf denen VerkäuferInnen und KundInnen ihre Erfahrungen mit Produkten und Dienstleistungen offen und ehrlich austauschen. In jede Richtung anschlussfähige Kommunikation ermöglicht also den nahtlosen Übergang zwischen realen und virtuellen Welten. Vormals rein virtuelle KäuferInnen suchen jetzt gezielt stationäre Geschäfte auf, von denen sie im Internet erfahren haben – oder docken aufgrund ihrer positiven Kauferlebnisse am Point of Sale gleich auch noch an der virtuellen Community an.“
Michela: „Bei uns bieten Franchiser schon lang Kundenkurse an, Leslie und Han. Sie wollen ihre Kundschaft mit einem verbesserten Kundenerlebnis sozusagen ,empowern‘, ihre fachlichen Fähigkeiten fortbilden, weshalb ich den Trend ganz klar auch als Empowerment-Trend empfinde. Bei der Kette Brico können wir zum Beispiel Fliesenlegen lernen, oder wie man den Abfluss vom Waschbecken repariert, Außenfassaden streicht und so weiter. In unseren Gartencentern bringen sie dir bei, wie du deinen Garten auf wechselnde Jahreszeiten vorbereitest, Pflanzen stutzt, Fungizide richtig einsetzt.
Ach ja, sogar Banken veranstalten Kurse für ihre Kunden, wie sie ihren tesoretto, ihr kleines Vermögen, am besten verwalten und mehren können.
All diese Geschäfte verwandeln sich nach meiner Beobachtung gerade zurück in so eine Mischung aus Werkstatt/Labor und Geschäft. Ihr Ansatz versorgt die Kundschaft – wie es übrigens schon vor Jahrhunderten war – einerseits mit Waren und andererseits mit dem Know-how, wie man die erworbenen Waren bestmöglich nutzt.“
Han: „Du hattest es ja oben schon gesagt, Leslie: Wenn man diesen Trend schlicht wirtschaftlich sieht, dann erschließt der ‚Ökosystem‘-Ansatz Ketten, Händlern und Dienstleistern ganz neue Konsumentengruppen bzw. verdichtet die Stammkundschaft entlang ihrer Konsuminteressen zu attraktiven neuen, für Up- bzw. Cross-Selling offene Zielgruppen. Der Trend führt weltweit zu verlässlich sozialisierten Fan-Communitys. Das Bemühen um treue Stammkunden, die stufenlos zwischen realer und virtueller Welt wechseln können, ist unübersehbar.
Aus einer gesellschaftlichen Perspektive heraus gesehen findet innerhalb solcher themenfokussierter Communitys aber natürlich viel soziales Leben statt. Wenn man so will, könnte man dieser Entwicklung also auch eine übergeordnete soziale Bedeutung beimessen, die unser Zusammenleben in Zukunft prägen wird. Wie bewertet ihr das, Leslie und Michela?“
„Do it yourself“ boomt



„Und wie viel ‚echtes‘ soziales Gefühl steckt in dem Trend?“
Michela: „Also wenn du mich fragst – ich persönlich nehme diese Entwicklung durchaus als ‚echte‘ Sozialisierung wahr. Die Welt verändert sich und die linearen Programmierungen einer Vergangenheit vor der Digitalisierung lösen sich eben grade auf.
Und aus meiner Perspektive als Italienerin ist mir die Nähe von sozialer Bindung und Konsum sowieso sehr bekannt. Nur ein Beispiel: Die ganze Welt bestaunt unsere gesellige Kaffeekultur. Bei uns ist es ja völlig normal, in der Bar einen Espresso zu trinken und ein Schwätzchen mit anderen, oft völlig Fremden, zu halten. Und beim Einkaufen, auch in den großen internationalen Ladenketten, erwartet man in Italien auch heute noch einen freundlichen, persönlichen Service. Das ist ja in vielen anderen Ländern anders. Also nur um zu sagen: Wir trennen womöglich kulturell bedingt gar nicht so stark, ob Sozialisierung und Konsum zusammen stattfinden dürfen, ganz im Gegenteil. Für uns ist vielleicht eher die Frage, dass dieser Ansatz authentisch und ehrlich gemeint sein muss. Und so wird es hier eben auch positiv angenommen, wenn man sich beim Weinhändler zum Sommelier ausbilden lassen kann. Natürlich wird da in erster Linie konsumiert! Aber eben auch Gemeinschaft, Unterhaltung, Genuss, Begeisterung und neue Kompetenz gelebt.“
Leslie: „Schön auf den Punkt gebracht, Michela.“
„Mit welchen Dekoren und Materialeigenschaften kann Schattdecor die Welt dieser neuen Ökosysteme und Hubs unterstützen?“
Michela: „Ich hatte ja vorhin schon von dem neuen Do-it-yourself-Trend in Italien gesprochen. Diese Renaissance unserer handwerklichen Skills und einer Welt der artigiani, also des Handwerks oder Kunsthandwerks, ist bei uns wirklich stark.
Wir haben die Nähe zu gestalterischem Material wiedergefunden, sei es jetzt Holz, Stein, Metall wie z. B. Messing, Textil oder Korbgeflecht. Und das lässt sich schon jetzt an neuen Möbeldesigns ablesen. Hersteller applizieren Korbgeflecht auf ihre Möbel oder setzen starke Akzente mit Holz und Metall. Zentral in ihren Konzepten steht derzeit einmal mehr: der Mensch. Insofern sehe ich auch bei unseren Oberflächendekoren einen Schwerpunkt bei solchen Do-it-yourself-Reproduktionen.
Meine Lieblingsdekore sind derzeit und im Zusammenhang mit diesen neuen Communitys CHADNA, KALAMOS und MOON. Sie greifen das kunsthandwerklich inspirierte Look-and-feel auf, machen in Showrooms bella figura, halten aber auch der Frequentierung durch regelmäßige Workshops und Gruppen mit Leichtigkeit stand.“
Michelas Dekorauswahl
Han: „Schöne Auswahl, Michela. Da möchte ich gleich anknüpfen und als Erstes VALONGO empfehlen, weil darin ausgesprochene Natürlichkeit auf eine reizvolle metallische Haptik trifft. Das Design von MATERA SHINE sehe ich stattdessen in großzügigen Räumen. Großflächig angewendet erzeugt es dort ein einnehmendes Look-and-feel, bietet sich aber auch bestens für Finishapplikationen an. Mein dritter Favorit ist das Digitaldekor TRIANA. Sein dezent koloriertes Stäbchendesign hebt sich wirklich kreativ vom gewohnten Anblick der Gitter- oder Holzmaserungsoberflächen ab, während es eine fast künstlerische, visuelle Wirkung im Raum aufspannt.
Ach ja, noch etwas: Ich verzeichne auch eine starke Nachfrage nach Qualität für diese neuen Konsumwelten. Die Oberflächeneigenschaften müssen robust sein und starke Nutzung aushalten. Wir von Schattdecor können die Oberflächendekore und -eigenschaften liefern, die diese neuen Zielgruppen, Ökosysteme und Hubs brauchen.
In Kombination mit unseren Digital Visions-Dekoren braucht es hochwertige, ausdauernde, multifunktionelle Oberflächeneigenschaften: Flexibilität, Abriebfestigkeit, besondere Belastbarkeit und Widerstandsfähigkeit sind hier das A und O. Je nach Situation können Anti-Fingerprint-Effekte, extreme Zusatzverstärkung oder feuchtigkeitsabweisende Eigenschaften entscheidend sein. Wir können auf jeden Fall alles umsetzen, was die Händler 4.0 (danke für das Wort, Leslie!) im Detail benötigen.“
Hans Dekorauswahl
Leslie: „Gerne, Han! (grinst) Und kann ich nur unterschreiben. Außerdem bin ich fest davon überzeugt, dass die Designs, die wir in diesen neuen Konsumwelten sehen, auch auf die Community-Nachfrage zurückreflektieren werden. All die Designs, vor deren Kulisse das Produkt heutzutage inszeniert wird, werden auch den Endkonsumentenbedarf, also die Nachfrage fürs Zuhause der Menschen, triggern.
Ich persönlich sehe in dem Zusammenhang derzeit drei Dekore trenden:
FIRESTONE ist visuell besonders ansprechend. Es verbindet sich höchst vorteilhaft mit Holzmaserungen und Textilreproduktionen. MAGNOLIA, meine zweite Empfehlung, liefert einen weichen Gesamteindruck, aber auch eine detailreiche natürliche Maserung, die es insgesamt authentisch und warm wirken lässt. Und ich stimme Han schon wieder zu: VALONGO ist einfach cool und deshalb auch mein dritter Favorit: hybrid zwischen Stein und Zement, großartige Farben, die sich perfekt mit unzähligen Ästhetiken kombinieren lassen!“
Leslies Dekorauswahl
Vielen Dank für das Gespräch, Michela, Han und Leslie!