Beza Projekt: Design fürs Coworking.
Interview mit den Designerinnen Zofia Strumiłło-Sukiennik und Anna Łoskiewicz-Zakrzewska
Coworking ist momentan das am schnellsten wachsende Segment in der gesamten Office-Branche. Innerhalb der letzten fünf Jahre ist der entsprechende Markt weltweit um das Elffache gewachsen. Allein in Warschau gibt es über 100 Coworking-Spaces.
Das Architekturstudio Beza Projekt besteht aus zwei jungen Designerinnen: Zofia Strumiłło-Sukiennik (ZSS) und Anna Łoskiewicz-Zakrzewska (ALZ) konnten ihre kreativen Entwürfe schon in den Bürointerieurs von NEST,Ul, Hand Made oder LAB etablieren.
Das Interview führte Danuta Pawlik (DP), Corporate Communications Managerin am Schattdecor-Standort Tarnowo Podgórne.
DP: Warum sind gemeinschaftlich genutzte Co-Worksspaces aktuell so im Trend? Welche gesellschaftlichen und geschäftlichen Bedürfnisse beantworten sie eurer Meinung nach?
ZSS: Ich denke, dieser Trend entstand, weil die Menschen verstanden haben, wie viel Zeit ihres Lebens sie eigentlich bei der Arbeit verbringen und dass die Arbeit ihr Leben im Kern bestimmt. Warum sollten sie ihre Zeit also in total langweiligen, neutralen, minimalistischen Büros
verbringen, wenn ein solcher Raum im Gegenteil doch auch angenehm sein und eine wohnliche Atmosphäre bieten kann?
Ganz nebenbei hat sich übrigens auch die Art und Weise, wie wir arbeiten, verändert: wir wollen Effizienz und Kreativität mehr Raum geben; die Aufgaben, die wir leisten, verändern sich, und der Raum um uns herum sollte uns motivieren.
DP: Welche Voraussetzungen sollte ein typischer Coworking-Space erfüllen? Und welche Menschen nutzen Coworking-Spaces überhaupt? Was genau erwarten die Nutzer von Coworking-Spaces?
ALZ: Ich denke, dass wir, was die menschliche Arbeit betrifft, kurz vor einer Revolution stehen. Es geht ja schon los, dass Computer immer mehr unserer Aufgaben übernehmen. Immer mehr Werkzeuge erledigen nach und nach unsere Arbeit. Das verändert die Perspektive und unsere Bedürfnisse. Damit wächst bei vielen der Wunsch, unter anderen Menschen zu sein.
Ich habe den Eindruck, dass es immer wichtiger wird, wie unsere Umgebung gestaltet ist. In der heutigen Zeit leben wir in zwei Realitäten: der virtuellen und der physischen. Theoretisch könnten wir auch von zu Hause aus arbeiten und unsere E-Mails von dort verschicken. Aber die meisten Arbeitgeber sind sich bewusst, dass die Interaktion zwischen Menschen sehr wertvoll ist und dass sie die Arbeitsergebnisse insgesamt kreativer macht. Coworking stimuliert die Menschen zu Meetings und verbindet beide Realitäten. Coworking-Spaces sind insofern Orte, an denen Menschen aus verschiedenen Branchen und Bereichen zusammenkommen. Und das kann zu etwas sehr Einzigartigem, Außergewöhnlichem führen.
DP: Habt ihr beide – als kreative Menschen auf der Suche nach Inspiration – denn selber Erfahrung mit Coworking?
ZSS: Ja klar. Wir haben sogar unseren eigenen Coworking-Space – unsere Werkstatt ist so ein bisschen wie ein offenes Haus. Wir laden verschiedene Leute zum Coworken ein und versuchen, den Ort für verschiedene Gedanken offen zu lassen, damit wir selber offenbleiben.
DP: Wie genau muss Design für den Kreativsektor und für Menschen, die über den eigenen Tellerrand hinausdenken, eigentlich gestaltet sein? Oder anders gefragt: Wie designt ihr als Kreative für andere Kreative?
ZSS: Wir versuchen, eine Welt zu schaffen, in die man abtauchen kann. Eine Welt, die in gewisser Weise einzigartig ist.
Eine Welt, die ihre Geschichte erzählt, die ein Ganzes schafft, die ein Gefühl von Harmonie und Zusammenhalt verströmt.
Uns geht es darum, Atmosphäre aufzubauen, nicht nur um die ganzen praktischen Aspekte.
Diese Atmosphäre wird durch eine bestimmte Geschichte aufgebaut, und ihre Erzählung kann sich im Design auf ganz unterschiedliche Weise wiederspiegeln: Zum Beispiel in einer Familie von Formen, von Verarbeitungen oder von Farben.
Während dieses Prozesses wollen viele Entscheidungen getroffen werden. Das Ergebnis ist das, was man am Schluss spürt ... dieses magische Gefühl. Wir spielen zum Beispiel gern mit Retro-Elementen oder mit der Kombi aus Alt und Neu. Schließlich leben wir in höchst spannenden Zeiten, in denen uns einerseits Raumfahrt und Nanotechnologie zur Verfügung stehen, während wir andererseits immer noch Zugang zu seltener werdenden Handwerkstechniken haben – man denke zum Beispiel an Stuck. Das ist übrigens eine Technik, die wir gern in modernen Innenräumen einsetzen.
DP: Eure Bürodesigns, wie z. B. Hand Made, UL oder Nest Coworking-Spaces, rufen Bewunderung hervor. „Hand Made“ wurde von Wallpaper als eines der besten Designs der Welt ausgezeichnet. Was macht euer Schaffen so einzigartig? Warum sind sie so anders? Was ist die Geschichte hinter diesen Entwürfen?
ALZ: Naja, all diese Geschichten sind ein bisschen unterschiedlich. Im Fall von „Hand Made“ arbeiteten wir gerade an einem wunderschönen Mietshaus und die Agentur schlug uns eine Richtung und ihre Lieblingsfarben vor. Wir starteten mit Blau und Gold.
Davon ausgehend beschlossen wir, für diese Geschichte diverse Produktionstechniken zu verwenden: Wir schufen Nischen im Treppenhaus, die Handwerkstechniken wie gehämmertes Metall präsentierten. Im Fall von Nest war Kasia Korzeniecka beteiligt. Sie schuf Entwürfe auf Basis von Marmoriertechnik, welche wir als Grundlage für den restlichen Bau nutzten.
Im Fall des UI Coworking Spaces war die Geschichte nochmal eine andere: wir lieben die Serie Mad Men und haben die als Ausgangspunkt genommen. Wir haben sehr gemütliche Räume geschaffen, die die Leute in die 60er Jahre zurückversetzen.
DP: Warum sind persönliche Bereiche für euch ein so wichtiges Kriterium? Auf der einen Seite – Räume für Teamarbeit, große Tische. Auf der anderen Seite – die Privatsphäre der Büros. Wie wichtig ist das für euch?
ZSS: Das ist und war schon immer wichtig. Einrichtung muss freundlich sein, man soll sich ja darin wohlfühlen und in Ruhe arbeiten können. Harmonie ist wichtig: einerseits bei der Intensität von Struktur, Textur und Farbe und andererseits zugunsten von Kontrasten, glatten Oberflächen und subtilen Farben. Besonders wichtig ist übrigens, die richtigen Farben für die verfügbare Lichtmenge zu wählen. Bei Nest, mit viel Glas, konnten wir es uns z. B. trauen, dunklere Farben zu verwenden.
DP: Also die Balance aus Komfort, Ruhe und Intensität als kreatives Ergebnis?
ALZ: Auf jeden Fall. Wir glauben, dass sich Büro- und Wohnwelt begegnen können. Im Coworking-Konzept begegnen sie sich tatsächlich und kommen sich überhaupt nicht in die Quere. Sie beflügeln sich vielmehr gegenseitig. Wenn wir typische Zuhause-Dekos ins Büro übertragen, dann schenken sie uns dort mehr Wohlfühlfaktor. Wir können in solchen Räumen besser denken und bleiben gerne dort; wir fühlen uns entspannter.
DP: Mal abgesehen von der Atmosphäre ist es wichtig, Coworking praktisch zu gestalten. Dazu gehört z. B. räumliche Bewegungsfreiheit als Leistungskriterium: Bewegliche Container oder Schubladen; die Möglichkeit, Schreibtische miteinander zu verbinden oder Funktionen neu zu ordnen. Von welchen Nutzerbedürfnissen leitet ihr diesen Ansatz ab?
ZSS: In Büros, in denen Menschen nicht immer in der gleichen räumlichen Anordnung arbeiten wollen, wird Bewegung tatsächlich immer wichtiger. Dieser Veränderungsbedarf ergibt sich aus einer Arbeitsweise, bei der man von einer Anwendung zur nächsten wechselt und Aktivitäten evaluiert. Außerdem wollen wir unsere Position am Schreibtisch zwischen Sitzen und Stehen verstellen können.
DP: Ihr habt eine faszinierende Art, Farben und Materialien zu kombinieren. Die Strukturen von Holz, Steinen, Keramik, Glas, Tapeten und Teppichen bewegen sich bei euch weg von konservativen Layouts. Details spielen eine wichtige Rolle. Welche Materialien bringt ihr am liebsten in den Coworking-Space ein und was bedeutet die Differenzierung der Texturen für euch?
ZSS: Wir wissen ja alle, dass sich die Menschen in der Natur wohlfühlen, dass die Natur aber nicht uniform ist. Im Wald ruhen wir innerhalb dieser Vielfalt. Unsere Entwürfe übertragen diesen Eindruck von Vielfalt, diesen organischen Aspekt, und wenden genau diese Einzigartigkeit von Texturen und Mustern auf das Interieur an. In der Nähe von Holzstrukturen fühlen wir uns wohl. Holz ist so ein schönes Material mit so vielen, verschiedenen Gesichtern; wir mögen es total gerne!
DP: All dies – die Materialien, die Strukturen und die Form – erschaffen eine positive User Experience. Bei euren Entwürfe spricht man oft von Designerfahrung. Inwieweit versucht ihr, Innenräume so zu gestalten, dass sie eine gute Work-Life-Balance unterstützen?
ZSS: Coworking liefert genauso solche Rückzugsorte. Es soll eine ausgewogene Coexistenz dieser beiden Welten ermöglichen.
Bei Nest sorgen beispielsweise die Cafeteria oder die geplante Kinderecke, in der Babysitter eingesetzt werden sollen, für positive Erfahrungen. Ich denke, solche Orte dürften auch in Unternehmen optimal funktionieren. Die Synergie der beiden Welten ist also möglich, wenngleich nicht ganz einfach umzusetzen.
DP: Wie sieht die Zukunft von Coworking aus? Wird es sich auf dem Arbeitsmarkt durchsetzen?
ALZ: Ich glaube nicht, dass diese Formel für jeden geeignet ist. Die Frage ist vielleicht, inwieweit man jemand unbedingt als unternehmenszugehörig identifizieren können muss. Oder ist es wichtiger, dass er oder sie über eine andere starke Verbindung, zum Beispiel einen Gedanken, ein Thema oder eine Idee bondet.
Ganz sicher ist Coworking für Leute interessant, die Spezialisten auf ihrem Gebiet sind, die es sich leisten können, losgelöst von bestimmten Strukturen zu arbeiten.
Die Büros der Mitarbeiter werden sich mit Sicherheit weiterentwickeln. Vielleicht werden sie in Zukunft wie Cafés aussehen. Wir befinden uns inmitten eines ständigen Wandels, und wir müssen uns für die Bedürfnisse der anderen öffnen, um sie herum bauen. Und da ist es natürlich ganz wichtig, die Bedürfnisse der Nutzer genau zu analysieren.