Die Zonierung des öffentlichen Raums
Wie Design das Gefühl von Sicherheit zurückbringt
Seit Längerem verfolgen wir, wie sich der öffentliche Raum – etwa Bahnhöfe, Wartebereiche oder Shoppingmalls – zu Orten der Kommunikation, der Vernetzung und der Erholung weiterentwickelt. Gerade die letzten beiden Jahre haben zahlreiche Designinnovationen angeschoben. Unsere Beispiele: Zonierung und intelligente Wegeleitsysteme. Design wird damit zum Kommunikationsinstrument für stark frequentierte Orte.
Im Rahmen unserer Recherchen beobachten wir seit 2018 eine Entwicklung, die nun richtig Fahrt aufnimmt: Reisende, PendlerInnen und ArbeitsnomadInnen wünschen sich an belebten öffentlichen Bereichen mehr Rückzugsmöglichkeiten – vielleicht um zu arbeiten. Oder um einfach einen Moment lang zur Ruhe zu kommen. Am meisten wünschen sie sich jedoch – wie wir alle –, das Gefühl von Sicherheit. Designkonzepte wie intelligente Wegeleitsysteme sowie die visuelle Raumzonierung erfreuen sich seit 2020 großer Beliebtheit. Sie tragen dazu bei, dass Transitbereiche auf der ganzen Welt den Anforderungen einer mobilen Gesellschaft besser gerecht werden.
Sabrina Wieland und Elaine Andrea Herrmann von Schattdecor Deutschland im Gespräch über neue Designansätze für den Third Place – von Zonierung und Silent Communication bis zum Digitaldruck. Jetzt ansehen!
Zonierung und intelligente Leitsysteme
Aus der Evolutionspsychologie wissen wir, dass unser Gehirn ständig und unbewusst damit beschäftigt ist, den Raum zu erfassen und ihn auf Sicherheit zu kontrollieren. In der Menschheitsgeschichte war unsere Raumwahrnehmungsfähigkeit Teil eines überlebenswichtigen Mechanismus‘, den der US-amerikanische Physiologe Walter Cannon im Jahr 1915 als den menschlichen „Flight-or-Fight-Modus“ beschrieben hatte. Unser Gehirn registriert auch kleinste Veränderungen in der Umgebung und verarbeitet diese – unter dem Radar des Bewusstseins – im limbischen System.
Befanden wir uns schon vor 2020 in einer Welt voller Schilder und Warnungen, so kamen mit der Krise weitere hinzu. Anfang 2020 war es plötzlich von einem Tag auf den anderen wichtig, visuelle Anreize zu schaffen, um Menschen im öffentlichen Raum daran zu erinnern, aufeinander achtzugeben und sich an bestimmte Regeln zu halten. Man wollte ein Gefühl der Sicherheit unterstreichen und setzte dafür schnelle, aber auch ziemlich laute Lösungen um: Schreiende Schilderwälder aus Botschaften entstanden. Überall brüllten plötzlich Sicherheitskonzepte, Informationen, Regeln, Warnungen und Appelle die PassantInnen an.
„Bei Schattdecor haben wir intensiv darüber nachgedacht, welche Oberflächen oder Designkonzepte innovative Lösungen für Third Places liefern können.“Sabrina Wieland, Leitung Design Schattdecor Deutschland
Neue Ansätze
Eine solche Gestaltung sowie deren übermäßige Verwendung stört unser natürliches Empfinden und setzt unser archaisch tickendes Gehirn unter Stress. Wir alle wollen uns selbstverständlich und mit dem Gefühl von Sicherheit durch die Welt bewegen können. Unser Miteinander im öffentlichen Raum soll wieder ohne Daueralarm, Permanent-Warnungen und Verbotsschilder stattfinden.
Silent Communication – Positivity statt Warnschildern
Längst hat man sich deshalb von diesen temporären Lösungen verabschiedet, die warnenden Botschaften sind leise geworden. Warum? Nun, weil unser Gehirn wie gesagt nicht gut auf permanente Überreizung durch Signalfarben, Alarme und Warnungen reagiert. Eine Folge daraus hätte sein können, dass öffentliche Plätze, Innenstädte, Shops, Malls, Institutionen reflexhaft gemieden werden. Oder dass Warnungen irgendwann eben einfach nicht mehr funktioniert hätten.
An ihre Stelle sind effiziente Kommunikationsdesigns für Räume getreten. Sie setzen nun dort, wo unsere Gesundheit im Mittelpunkt steht, deutliche Akzente und Besucherströme werden unaufgeregt in Museen, Kinos oder beim Einkaufen geleitet. Viele dieser Ansätze haben sich die Erkenntnis, wie unsere Gehirne funktionieren, zunutze gemacht und lassen die Räume selbst kommunizieren.
Auch Räume können mit uns kommunizieren
Moment mal – ein Raum kann kommunizieren? Könnte man so sagen. Auch architektonische Gegebenheiten nimmt der Homo Sapiens mit sämtlichen Sinnen wahr. Wir registrieren unbewusst, ob ein Raum freundlich und einladend, ob er aufgeräumt ist – oder ob wir Hindernisse auf unserem Weg zu erwarten haben und deshalb vorsichtig bleiben sollten. Im Umkehrschluss genügen schon minimale Eingriffe in die Raumgestaltung, um unsere Wahrnehmung zu stimulieren und uns trittsicher in die gewünschte Richtung zu geleiten.
Bewegungsrichtung auf dem Bodenbelag
Während horizontale Bodenlinien unseren sicheren Gang verwirren, so weisen uns parallele Linien den Weg. Eine frappierend simple Orientierungsanleitung gelingt zum Beispiel rein durch eine abwechselnde Verlege-Richtung auf dem Bodenbelag. Allein die Ausrichtung der Holzmaserung führt Besucherströme souverän, strahlt Ruhe und Sicherheit auf uns aus.
Ins Design integrierte Leitsymbole dank Digitaldruck
Mit den gigantischen Möglichkeiten des Digitaldrucks lassen sich zudem ästhetisch gestaltete Symbole, Abstandsmarkierungen, Sicherheitshinweise, Bodenabstandsmarkierungen oder gleich komplett bedruckte Leitsysteme formvollendet in die Raumlandschaft integrieren. Aufgedruckte Symbole erleichtern die intuitive Nutzung multifunktionaler Möbel, denken wir etwa an Hinweissymbole für induktives, kontaktloses Aufladen mobiler Digitalgeräte. So eine individuelle Gestaltung bzw. Verlegung kann sogar an Wänden und Türen realisiert werden.
Dekorgestaltung als Leitsystem
Chevron-Dekore mit starker Maserung geben uns Führung
Chevron-Dekore haben eine klare Richtung. Wir Menschen verstehen solche Raum- bzw. Bewegungskonzepte intuitiv, ohne weitere Erklärungen oder Symbole. Kombiniert mit Zonierungsdesign lässt sich leicht eine funktionierende visuelle Raum-in-Raum-Logik gestalten. Anwendungsbereiche finden sich beim Shopping, in Großraumbüros, Meeting-Areas sowie bei der Abgrenzung einzelner Arbeitsplätze.
Die Möglichkeiten der Raumzonierung
Durch die Schaffung visueller Zonen können Räume zudem in separate Bereiche unterteilt werden. Digitaldruck bietet unzählige Möglichkeiten, gesellschaftsrelevante Verhaltensbotschaften dauerhaft ins Konzept des öffentlichen Raums zu integrieren und sie so in Menschenströme hineinzuflüstern: Unterschiedliche Dekorarten auf Böden, Wänden und Decken erschaffen die Illusion von Unterteilung und übernehmen die Funktion, Menschen an frequentierten Orten unterbewusst zu lenken und zu leiten, sie instinktiv Abstand halten zu lassen, sie an Masken und Hygienekonzepte zu erinnern.
Beim Einkaufen erleichtert uns Oberflächengestaltung die Orientierung im Sortiment: Visuelle Kontraste liefern die richtigen Anreize, um Kunden das Entdecken „ihres“ Ladenbereichs zu erleichtern oder Käuferströme ideal zu takten. In Wartebereichen schaffen Trennwände mit warmen Holzdekoren Inseln. Verweilende fühlen sich hier richtig wohl. Distanz schaffen nicht die Verbotsschilder, sondern die Dekorkontraste
Klar definierte Zonen im Großraumbüro
Auch in Arbeitsbereichen fügen sich optisch abgegrenzte Zonen in die Organik des Raumes ein. Großformatige Steinverlegungen mit reicher Maserung verleihen XXL-Büros Eleganz und trennen unterschiedliche Arbeitsbereiche, einzelne Arbeitsplätze oder Besprechungsbereiche voneinander ab.
Fazit: Visuelle Zonierung in Kombination mit den gigantischen Möglichkeiten des Digitaldrucks hat sich als unaufgeregter, hochfunktionaler und gleichbleibend ästhetischer Designansatz durchgesetzt. Menschenströme werden mit neuen, kreativen Konzepten effizient gelenkt und geleitet. Sie erinnern uns unaufdringlich, nachhaltig und ohne unsere Sinne zu überreizen, an die Einhaltung von Abständen, Hygiene- bzw. Verhaltensregeln. Insgesamt bietet uns Oberflächendesign eine Vielzahl von Möglichkeiten, Räume zu gestalten, Botschaften zu vermitteln und PassantInnen im öffentlichen Raum oder im Arbeitsumfeld ein gutes Gefühl zurückzugeben.